Unverfroren ist ein zu kleines Wort für das, was Merkel und Seehofer gestern in ihr Regierungsprogramm für die Bundestagswahl im September aufgenommen haben: CDU und CSU fordert jetzt auf einmal den “flächendeckenden Ausbau von modernsten Glasfasernetzen” bis zum Jahr 2025.

Passend zur Wahl kommt die Wende bei den „Schwatten“

Wenn man die vollmundigen Versprechen in dem Wahlprogramm liest, glaubt man nicht, dass diese Statements von der Partei kommen, die dem Quasi-Staatskonzern Telekom die Möglichkeit gegeben hat, mit Milliardensummen in veraltete und lahme Vectoring-Technologie auf Kupferbasis zu investieren, weil diese Technologie die Wettbewerber der Telekom außen vor hält:

“Wir schaffen die Gigabit-Gesellschaft. Deutschland soll das Land sein, in dem Daten in Echtzeit überall und für alle verfügbar sind. In Stadt und Land, in Ost und West. Für alle absehbaren Anwendungen: für das Internet der Dinge, im Verkehrsbereich, in der Medizin, in der Kommunikation. Hierzu werden wir den flächendeckenden Ausbau von modernsten Glasfasernetzen vorantreiben und bis 2025 realisieren.”

Deutschland hält in Sachen Glasfaser die rote Laterne

Der Bundesverband Breitbandkommunikation (Breko) begrüßte zwar die Festlegung der CDU/CSU auf “die zukunftssichere Glasfaser”. Von der heute schon veralteten Vectoring-Technologie, die die Telekom mit Hilfe der Regierung Merkel seit Jahren verbaut und damit den Betroffenen einen wirklich schnellen Glasfaseranschluß vorenthält, enttäuscht, machten die Fachleute noch einmal ganz deutlich, dass für den Verband feststehe, dass wirklich nur reine Glasfasernetze bis in alle Gebäude Deutschlands geeignet seien, die Anforderungen der kommenden Gigabit-Gesellschaft zu erfüllen und die einzige nachhaltige Grundlage für den Weg dorthin bieten könnten.

Fakt ist: Die Vectoring-Politik von Telekom und Regierung zum Konkurrenzausschluß hat Deutschland inzwischen in Sachen Glasfaserausbau nach Angaben des VATM den vorletzten Platz in ganz Europa beschert. Von den 791.000 echten Glasfaseranschlüssen wurden 707.000 bei Wettbewerbern gebucht und nur magere 84.000 bei der Deutschen Telekom.

Auch die Sozen entdecken plötzlich ihr Herz für die Glasfaser

Auch die SPD hat plötzlich ihr Herz für Glasfaseranschlüsse entdeckt, obwohl sie ja als Regierungspartner in der Großen Koalition jahrelang Gelegenheit hatte, die Telekom statt Kupfer-Vectoring Glasfaser verlegen zu lassen. Das liest sich auch dort im Wahlprogramm ganz nett und irgendwie auch schon mit den vermutlich nächsten Koalitionspartnern von der CDU/CSU abgestimmt:

“Wir werden eine flächendeckende digitale Infrastruktur auf hohem Niveau sicherstellen. Die Versorgung mit einer Datengeschwindigkeit von mindestens 50 Megabit pro Sekunde soll nur ein erster Zwischenschritt bis 2018 sein. Unser Ziel sind Gigabit-Netze. Bis 2025 sollen mehr als 90 Prozent aller Gebäude daran angeschlossen sein. Die hierfür notwendigen Investitionen werden wir fördern.”

Wer’s glaubt, wird selig

Alle drei Regierungsparteien hatten reichlich Zeit, den Ausbau von FTTB/H-Anschlüssen voranzutreiben und ließen sie nicht nur ungenutzt verstreichen, sondern blockieren inzwischen schon mit ihren Kupferdrähten für viele Deutsche echtes Hochgeschwindigkeits-Internet – schließlich will die Telekom ja die vielen in den letzten Jahren gelegten Kupferleitungen nicht wieder herausreißen und durch Glasfasern ersetzen.

Deshalb sind diese neuen, vollmundigen Wahlversprechen der Politiker auch nur mit größter Vorsicht zu genießen…