Gestern wurden im Bielefelder Stadttheater die Big Brother Awards 2019 des Vereins Digitalcourage e.V. vergeben. Die jährliche Verleihung des Negativpreises brachte einige Überraschungen.
Zum ersten Mal gibt es schon im Vorfeld der Veranstaltung Diskussionen über den Preis, weil einer der Preisträger sich mit der Auszeichnung des Datenkraken-Oscars nicht gerecht beurteilt fühlt.
Ebenfalls erstmals gibt es einen Sieger, der schon im letzten Jahr die zweifelhafte Auszeichnung bekam und auch zum ersten Mal gibt es keinen Preisträger in den populären Kategorien “Politik”, “Lebenswerk” und “Arbeitswelt”.
70. Jahrestag der Veröffentlichung von Orwells „Big Brother“
Gefeiert wurde in diesem Jahr an einem sehr speziellen Tag: Gestern vor 70 Jahren erschien in London George Orwells namensgebendes Buch “Nineteen Eighty-Four”, hier in Deutschland unter dem Titel „1984“ erschienen.
Zeit Online wird für Kooperation mit Google „ausgezeichnet“
So etwas wie einen faustischen Pakt mit dem größten Datenkraken der Welt Google soll das Internetangebot Zeit Online eingegangen sein. Dafür erhielten Redaktion und Verlag den Big Brother Award der Kategorie “Verbraucherschutz”.
Allerdings bestreitet die Redaktion das vehement und veröffentlichte auch schon im Vorfeld der Veranstaltung unter Missachtung der Sperrfrist im Blog Glashaus ihre Sicht der Dinge zusammen mit der Kurzbegründung der Jury.
Auch Hessen ist wieder unter den “Preisträgern”
Schon im letzten Jahr war das schwarz-grün regierte Bundesland Hessen einen Big Brother Award für seinen „Hessentrojaner“ ausgezeichnet worden, und in diesem Jahr “siegte” das Bundesland mit „Hessendata“ in der Kategorie “Behörden und Verwaltung”.
Die von der einschlägig bekannten Firma Palantir gelieferte und angepasste Software unterstützt eine vorausschauende Polizeiarbeit, die auf der Zusammenführung sehr unterschiedlicher Datenquellen basiert.
Lieferant Palantir hilft Trump, Kinder von Eltern zu trennen
Neben dem Zusammenführen von polizeilichen Daten mit Daten aus den Sozialen Netzwerken war für die Jury auch die Tatsache, dass Palantir-Mitarbeiter (angeblich zu Servicezwecken) Zugriff auf das Netzwerk der hessischen Polizei haben, ein negativpreiswürdiges Vorgehen.
Wie alle US-Firmen unterliegt Palantir dem FISA-Act und kann deshalb gezwungen werden, Informationen an die amerikanischen Geheimdienste weiterzugeben.
Dem US-Unternehmen selbst dürfte der Negativ-Preis für Hessendata am Ar… vorbei gehen, schließlich hat das ja gerade erst in den USA einen Schuss vor den Bug bekommen. Dort haben 140 Akademiker erfolgreich gegen Palantir als Sponsor der rennomierten “Privacy Law Scholars Conference” der Datenschützer protestiert.
Der Grund dafür ging als Beispiel präsidialer Menschenverachtung der Trump-Regierung in den USA um die Welt: Die Software von Palantir wird von der US-Immigrationsbehörde ICE dafür eingesetzt, um bei Immigranten an der Südgrenze der USA die Kinder von ihren Eltern zu trennen…
Weitere Träger des Negativpreises
Zu den weiteren Ausgezeichneten gehören beispielsweise die Firma „Ancestry“, die in der neuen Kategorie „Biotechnik“ für die Analyse und unsichere Speicherung der Gendaten ihrer Kunden geunehrt wurde.
Und auch das Aachener Unternehmen „Precire“, dessen Analysesoftware von Firmen wie RWE und Fraport AG genutzt wird, um Charakter und Belastbarkeit von Bewerbern herauszufinden wurde Sieger in der Kategorie „Kommunikation“.