Mit einem Urteil zu den enorm hohen Kosten beim Widerruf von Verträgen der Partnervermittlung Parship hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) den deutschen Verbrauchern den Rücken gestärkt.
Die Online-Partnervermittlung darf erbrachte Leistungen während der Widerrufsfrist von 14 Tagen nur zeitanteilig in Rechnung stellen und nicht den Großteil des Preises für ein Jahresabo verlangen, entschied jetzt der EuGH in Luxemburg.
Parship-Urteil als Muster
Konkret ging es um eine einzelne Kundin, aber das EuGH-Urteil dürfte wegweisend für Hunderte weitere Verfahren beim Amtsgericht Hamburg sein, denn diese Praxis ist seit Jahren Anlass für viele Prozesse, von denen über 800 noch laufen.
Parship will jetzt die Konsequenzen ziehen, da “eine Rechtsfrage europaweit geklärt worden” sei. Das Unternehmen werde “die Berechnung seines Wertersatzes der europäischen Entscheidung entsprechend anpassen”.
Parship verlangte fast 400 Euro (75%) bei Widerruf
Die Klägerin hatte Ende 2018 eine Premium-Mitgliedschaft für zwölf Monate bei Parship zum Preis von 523,95 Euro abgeschlossen. Nach nur vier Tagen und damit innerhalb der gesetzlich gewährten Frist widerrief sie den Vertrag, weil sie auf der Plattform überwiegend sexuelle Angebote bekam. Der Betreiber wollte dafür dann satte 392,96 Euro als Wertersatz in Rechnung stellen – das sind fast 75% der Kosten für die Gesamtlaufzeit.
Das Datingportal kam mit dem Argument, die Frau habe ausdrücklich zugestimmt, schon während der Widerspruchsfrist erste Leistungen zu erhalten – und gerade diese hätten angeblich den höchsten Wert. So erhalten neue Mitglieder beispielsweise im Anschluss an einen ca. dreißigminütigen Persönlichkeitstest sofort automatisiert Partnervorschläge im selben Bundesland.
Premium-Mitglieder bekommen immer ein 50-seitiges Persönlichkeitsgutachten, das normale Basis-Mitglieder gegen Bezahlung als Teilleistung kaufen können.
Urteilsbegründung des EuGH
Der EuGH entschied aber jetzt, dass bei Widerruf nur zeitanteilig zu zahlen war – in diesem Fall also für vier Tage 5,74 €. Nur dann, wenn ein Vertrag ausdrücklich einen getrennten Preis für Leistungen zu Beginn der Laufzeit ausweist, ist dieser fällig.
In dem zugrundeliegenden Vertrag sei aber kein gesonderter Preis für irgendeine Einzelleistung vermerkt gewesen, stellte der EuGH fest.
Andere Kunden können jetzt auch die Erstattung fordern
Jetzt geht der Fall zurück ans Amtsgericht Hamburg, welches die EU-Kollegen um die Auslegung der EU-Verbraucherrechte gebeten hatte. In vielen anderen Einzelfällen haben einzelne Abteilungen des Amtsgerichts auch schon zu Gunsten von Verbrauchern in ähnlicher Situation entschieden, geht aus einer Fallsammlung der Verbraucherzentrale Hamburg hervor.
Die Verbraucherschützer raten jetzt Verbrauchern, die den Wertersatz gezahlt und trotz der vielen positiven Urteile bisher noch nicht geklagt haben, Parship unter Fristsetzung zur Erstattung aufzufordern und wenn diese nicht erfolgt auf Erstattung des Betrages abzüglich Tagespreis klagen.
Die Verjährungsfrist betrage drei Jahre, ergänzten die Verbraucherschützer.