Vor fast zehn Jahren im April 2011 brachte die Bundesregierung mit dem DE-Mail-Gesetz eine neue, rechtssichere Möglichkeit an den Start, um mit Behörden und Unternehmen Kontakt aufzunehmen.

Datenschnüffelei von Beginn an fest eingebaut

Die Verschlüsselung ist einfach nur ein Witz, denn DE-Mails werden beim Anbieter entschlüsselt – vorgeblich, um sie auf Viren zu prüfen.

In Wirklichkeit sind die Anbieter aber verpflichtet, dem Staat eine Schnittstelle zum Abhören dieser Emails zu bieten. Mehr als 1.000 Behörden dürfen die Daten des Benutzers ohne jegliche richterliche Anordnung einfach online abrufen. 2012 gab es da täglich 12.000 Zugriffe auf die Daten der DE-Mail-Kunden.

Zu Beginn gab es laute Kritik besonders wegen der mangelnden Sicherheit der Daten der Bürger beispielsweise wegen fehlender Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. In den letzten Jahren hörte man aber von diesem Angebot so gut wie gar nichts mehr.

Überraschende Kritik von Telekom-Chef Höttges

Jetzt ließ aber der Telekom-Chef Timotheus Höttges in einem ausführlichen, fast zweistündigen Interview mit dem YouTuber Tilo Jung (»Jung & Naiv«) kein gutes Haar mehr an dem vom Bundesinnenministerium angeschobenen Projekt.

Die De-Mail nannte Höttges „überkompliziert“ und einen „toten Gaul“. Trotz Investitionen in dreistelliger Millionenhöhe habe es „nie jemanden gegeben, der dieses Produkt genutzt hat“, weshalb man den Dienst inzwischen „eingestellt“ habe.

Die Telekom bewirbt die DE-Mail online weiter

Diese (recht späte) Fundamentalkritik kommt auch deshalb überraschend, weil die Telekom den Dienst online weiterhin bewirbt: „Einfach und rechtssicher mit Firmen und Behörden kommunizieren“liest man dort. Und auch die Aufforderung: „Werden Sie jetzt De-Mailer“.

Auf Nachfrage sagte das Unternehmen dazu, die DE-Mail werde „nicht weiter aktiv vermarktet“, Bestandskunden würden aber weiter versorgt. Das Angebot habe sich schon von Beginn an „nicht in der erhofften Geschwindigkeit entwickelt“ und „bis heute kein wirtschaftliches Ergebnis erreicht“. Auf die Frage nach der aktuellen Anzahl von DE-Mail-Kunden antwortete das Unternehmen allerdings nicht.

Keine Angaben zu Nutzung und Kosten

Von Horst Seehofers Innenministerium waren auch keine aktuellen Nutzerzahlen zu bekommen. Das verwies dafür auf die Projektpartner, zu denen neben der Telekom auch die United Internet AG (GMX und Web.de) und die Mentana Claimsoft GmbH gehören.

Nach deren Angaben soll es im Jahr 2015 mehr als eine Million Privatkunden gegeben haben, dazu einige Zehntausend Kunden aus dem Mittelstand und ca. 1.000 Großkunden aus Wirtschaft und Verwaltung.

Zu Höttges’ Fundamentalkritik erklärte das Ministerium, man stelle schon seit ungefähr zwei Jahren fest, dass sich die Telekom aus der DE-Mail zurückziehe, deshalb griffen die Behörden inzwischen auf andere Anbieter zurück.

Tatsächlich ließen sich aber auch die Bundeseinrichtungen sehr viel Zeit damit, DE-Mail-Zugänge einzurichten. Manche sind darüber offenbar bis heute nicht erreichbar, obwohl das DE-Mail-Gesetz sie dazu bis zum Jahr 2016 verpflichtete. Im Juni 2019 seien 85 von 92 Bundesbehörden per DE-Mail-Mail erreichbar gewesen, sagte das Innenministerium dazu.

Zu den bis heute entstandenen Gesamtkosten für den Steuerzahler konnte (oder wollte) das Innenministerium unter Hinweis auf „Zeitnot“ keine genaueren Angaben machen. Die laufenden Kosten lägen bei „rund 9320 Euro (netto)“ pro Monat für ein zentrales Gateway.