Ist es Putins Paranoia – oder etwa schon wieder April?
Als ich diese Nachricht zunächst bei Golem las, hatte ich das Gefühl, die haben versehentlich einen Aprilscherz drei Wochen zu früh veröffentlicht. Aber auch andere Medien berichten über den geplanten Auszug Russlands aus dem Internet.
Was die internationalen Organisationen nicht wollen, macht Russland nun selbst – ein russisches Internet mit russischem Hosting und DNS:
Russische Behörden bereiten offenbar eine weitgehende Trennung der Internet-Infrastruktur des eigenen Landes vom Rest des weltweiten Internets vor. Das kann man einer Anordnung des Ministeriums für Digitale Entwicklung Kommunikation und Massenmedien entnehmen, die das auf Russland und Belarus spezialisierte Medienprojekt Nexta jetzt veröffentlicht hat
Danach hat das Ministerium zahlreiche weitgehende Bestimmungen festgelegt, die wohl für sämtliche Dienste und Anbieter in Russland gelten, die öffentlich zugänglich sind.
Was Russland in einer Woche schaffen will, ist unmöglich
Dazu sollen zunächst die Information und Zugänge bei Domain-Registraren überprüft und wenn notwendig aktualisiert werden. Die ersten DNS-Anbieter haben schon angekündigt, ihre Dienste in Russland beenden zu wollen.
Darüber hinaus sollen die Betreiber auf DNS-Server innerhalb Russlands überwechseln. Jeglicher Javascript-Code, der von ausländischen Ressourcen heruntergeladen wird, muss entfernt werden. Werden ausländische Hosting-Betreiber genutzt, müssen die Ressourcen auf einen russischen Dienst umziehen. Außerdem sollen sämtliche Ressourcen, die über eine andere TLD laufen als .ru, wenn möglich auf .ru umgezogen werden.
Dafür haben die Betroffenen nur eine Woche bis zum 15. März
Bereits bis zum 9. März (also übermorgen) sollen die Betreiber und Anbieter dem Ministerium eine Liste sämtlicher öffentlicher Ressourcen übergeben – inklusive Informationen darüber, wo sich diese befinden (selbst-gehostet, gemietet, Cloud). Dazu kommen Informationen zur benötigten Bandbreite und dazu, ob diese Ressourcen überhaupt außerhalb Russlands verfügbar sein müssen.
Sollten diese Maßnahmen tatsächlich alle umgesetzt (werden können), wissen die Behörden in Russland nicht nur, welche Internetseiten oder Dienste in Russland bereitstehen.
Durch den damit erzwungenen Umzug auf russische DNS- und Hosting-Server haben die Behörden dann auch einen weitestgehenden Zugriff auf diese Angebote. Beides gestattet praktisch eine komplette staatliche Zensur und Blockade für das Internet innerhalb Russlands.
Was davon zu halten ist
Die Clouds von Amazon, Microsoft oder Google haben für ihre jeweiligen Diensteüberhaupt kein Angebot innerhalb Russlands, und das, obwohl sie zu den größten Cloud-Anbietern für Russland und russische Kunden gehören. Ein Umzug, beispielsweise auf die Yandex-Cloud, dürfte sich in der kurzen Zeit kaum machbar erweisen und hätte vermutlich dann die Einstellung dieser Dienste zur Folge.
Während sich sowohl ICANN, ISOC oder auch das RIPE NCC letzte Woche noch gegen Forderungen gestellt haben, Russland vom Rest des Internets zu trennen, will Russland das jetzt praktisch selbst umsetzen und reiht sich damit endgültig in eine Reihe von Regimen wie dem Iran oder China ein, in denen das Internet weitestgehend reguliert und zensiert ist.
Menschen in Russland können sich so künftig dann kaum noch unabhängig zur Lage ihres Landes oder beispielsweise auch zum Ukraine-Krieg informieren.
Dieses einem kranken Geist entsprungene Projekt hat etwas von dem sprichwörtlichen tot geborenen Kind, das sich im Sande verlaufen hat…