Die beliebte freie Enzyklopädie Wikipedia im Internet ist fast komplett spendenfinanziert. Wie jedes Jahr werden bei Wikipedia-Aufrufen im Dezember auch wieder die Banner mit dem Spendenaufruf oben auf den Seiten eingeblendet, die den Benutzern ein schlechtes Gewissen machen sollen.
Benutzt werden Sprüche wie “Liebe Leser: Über 8 Millionen Mal wird unser Spendenaufruf täglich angezeigt, aber nur 319.721 haben bisher gespendet.” So wird das schlechte Gewissen beim Nutzer perfekt aufgebaut, der ja dann wohl denken muss, dass er gerade ohne zu zahlen ein Lexikon liest, das in finanziellen Nöten zu sein scheint…
Die Wikimedia-Stiftung auf Abwegen
Aber Kritiker sehen das ganz anders: Sie vermuten bei der Wikimedia-Stiftung, der Mutter der Wikipedia, ein Wachstum als Selbstzweck.
Es ist erst neun Jahre her, da arbeiteten bei der Stiftung mit Hauptsitz in San Francisco nur drei bezahlte Angestellte – heute sind es 240. Im laufenden Geschäftsjahr soll die Anzahl der bezahlten Angestellten sogar weiter auf 280 steigen.
In einem aktuellen Bericht bei Golem kann man auch zu lesen, daß für Pete Forsyth, der früher Spenden für WMF sammelte und heute die Organisation berät, die Anzeigenkampagnen einfach nur “eine Peinlichkeit” ist.
“Die Wikimedia-Stiftung ist auf Abwegen” sagt Forsyth dazu und unterstreicht, dass die Wikimedia-Stiftung (Wikimedia Foundation, WMF) zwar die Spenden aus den einzelnen Ländern auflistet, aber keine Details über die Ausgaben zu regionalen Projekten angibt.
Wohin fließt das Geld?
Besonders stark entzündet sich die Kritik an dem starken Kontrast zwischen den Tausenden ehrenamtlichen Helfern und den Gehältern oder Sonderleistungen wie beispielsweise Kochkursen oder Fitnessstudios, die die bezahlten Angestellten der WMF erhalten.
Da kann die Foundation noch so penetrant auf die schwierigen Personalbedingungen im Silicon Valley verweisen, wo Informatiker oder Vertriebsexperten angeblich hohe Ansprüche haben, denn die Foundation mit ihrem reinen Online-Geschäftsmodell kann ja auch überall woanders residieren und ist nicht auf den Standort im teuren Kalifornien angewiesen.
Besonders läßt auch die professionelle Optimierung der Spendenaktionen die Alarmglocken klingeln. Durch Vergleichstests bewertet die WMF verschiedene Spendenbanner bezüglich ihrer Wirksamkeit – und für solche Aktionen hat sie allein in diesem Jahr satte 5,6 Millionen Dollar ausgegeben. Spendengelder!
Wikimedia hat genug Geld
Hinzu kommt, daß der Eindruck, den die Spendenwerber erzeugen, weitab von der Wahrheit liegt, denn in der Schatulle der Stiftung lagern aktuell immerhin 77 Millionen Dollar – also gut dreimal so viel, wie Wikimedia in diesem Jahr im Dezember einsammeln möchte.
Nach eigenen Angaben will Wikimedia in dem lukrativen Spendenmonat auf 25 Millionen Dollar kommen, damit die Online-Enzyklopädie weiter “am Netz sein kann und wachsen kann” – eine schon heuchlerisch zu nennende Begründung.
Im Dezember fließen die Spenden ja auch reichlich: Im letzten Jahr reichten die Spenden eines einzigen Tages – des 3. Dezember 2014 -, um die Wikipedia 15 Monate lang zu finanzieren.