Einem kürzlich veröffentlichten Urteil (Az. 1 Sa 39 öD/22) des Landesarbeitsgerichts (LAG) Schleswig-Holstein vom September 2022 zufolge müssen Arbeitnehmer dienstliche SMS nicht in ihrer Freizeit lesen.
Der zugrunde liegende Fall
Das Urteil kommt aus einen Fall, in dem ein Notfallsanitäter von seinem Arbeitgeber wegen kurzfristiger Dienstplanänderungen per SMS kontaktiert wurde, diese Nachrichten aber in seiner Freizeit nicht las. Versuche, den Kläger per Telefonanruf zu erreichen, schlugen ebenfalls fehl – genau wie eine Email.
Deshalb wertete der Arbeitgeber den zu späten Dienstantritt des Angestellten als unentschuldigtes Fehlen und erteilte ihm zunächst eine Ermahnung und später dann auch noch eine Abmahnung.
Das Landesarbeitsgericht stärkt das „Recht auf Nichterreichbarkeit“
Das LAG entschied dazu aber, dass der Arbeitgeber damit rechnen müsse, dass der Notfallsanitäter die ihm geschickte SMS erst mit Beginn seines Dienstes zur Kenntnis nehme, denn erst zu diesem Zeitpunkt sei der Sanitäter verpflichtet, seiner Arbeit nachzugehen. Und dazu gehöre es eben auch, die inzwischen in seiner Freizeit bei ihm eingegangenen dienstlichen Nachrichten vom Arbeitgeber zu lesen.
Das Gericht unterstrich ganz besonders, dass das „Recht auf Nichterreichbarkeit“ sowohl dem Gesundheits- als auch dem Persönlichkeitsschutz des Arbeitnehmers diene. Es gehöre sogar zu den vornehmsten Persönlichkeitsrechten, dass ein Mensch selbst entscheide, für wen er in seiner Freizeit erreichbar sein wolle und für wen nicht.
Das Urteil Sagt also klar und deutlich, dass Arbeitnehmer das Recht haben, ihre Freizeit zu genießen und sich auf ihre eigene Weise zu erholen und zu entspannen, ohne ständig potentiellen dienstlichen Anforderungen ausgesetzt zu sein.