Overblocking in den USA: Eltern haben ihren Zugang zu allen Google-Diensten verloren, weil sie Fotos vom Genitalbereich ihrer Kinder für eine Vorabdiagnose an Ärzte gesendet haben.
Während bei uns in der Europäischen Union immer lauter über Pläne für eine Chatkontrolle zum Kampf gegen Kindesmissbrauch diskutiert wird, zeigen zwei eklatante Fälle aus den USA, welche unvorhergesehenen Konsequenzen solche Systeme durch Overblocking haben können:
Die New York Times berichtete jetzt über gleich zwei Fälle, in denen besorgte Eltern Fotos des Genitalbereichs ihres Kindes an ihre Ärzte geschickt haben und deshalb den Zugang zu allen genutzten Google-Diensten entzogen bekamen.
Zwar haben die Strafverfolgungsbehörden in beiden Fällen die Ermittlungen eingestellt, aber die Google-Dienste bleiben für beide gesperrt. Einer der Väter erwartet jetzt gar nichts mehr von dem IT-Konzern, sondern hofft nur, dass er die gespeicherten Daten wenigstens von der Polizei zurückbekommen kann.
Die Suche nach neuen Darstellungen von Kindesmissbrauch
Es geht es in beiden Fällen um Fotos, die auf eine ärztliche Anfrage hin gemacht und versandt wurden. Ziel der Aktion war es, schon vor dem Besuch beim Arzt einen Eindruck von Erkrankungen im Genitalbereich der kleinen Jungen zu bekommen.
In beiden Fällen ging es dabei um Android-Smartphones, bei denen die gemachten Fotos automatisch mit Google synchronisiert und in die Cloud geladen wurden. Spezielle Software von Google, die dabei nicht nur den Abgleich mit bekannten Darstellungen von Kindesmissbrauch durchführte, sondern auch automatisch nach neuen suchte, habe dann eine Warnung ausgegeben.
Daraufhin sei es zu einer ausführlicheren Analyse, zu Mitteilungen an Strafverfolger und zur Sperrung aller genutzten Google-Dienste gekommen.
Aussperrung aus dem digitalen Leben
In einem der Fälle verlor der Vater nicht nur den Zugriff auf seinen Mail-Account und sein komplettes Adressbuch, sondern auch alle Fotos, mit denen er das erste Lebensjahr seines Sohnes dokumentiert hatte.
Weil er auch seinen Handyvertrag über Google abgeschlossen hatte, musste er sich nicht nur einen neuen zulegen, sondern ohne den Zugang zu seiner alten Handynummer habe er sich auch nicht mehr in andere Internetdienste einloggen können. Alles in allem sei er von einem Großteil seines digitalen Lebens ausgesperrt worden.
Der zweite Vater, dessen Erlebnisse mit Overblocking zusammengefasst werden, sei im Begriff gewesen, ein Haus zu kaufen. Als sein Gmail-Account dann gesperrt worden sei, habe das auch zu Problemen mit dem Makler geführt.
Wollen wir das wirklich in Europa?
Wegen dieser Berichte erneuert die Electronic Frontier Foundation ihre Kritik an der automatischen Durchleuchtung privater Daten: “Das ist genau das Albtraum-Szenario, vor dem wir uns alle Sorgen machen”, sagt Jon Callas von der Bürgerrechtsorganisation der New York Times.
Es wurde zwar bei beiden Vätern nach Ermittlungen von der Polizei bestätigt, dass es keine Vorwürfe gegen sie gibt, aber den Zugriff auf ihre Google-Accounts haben sie bis heute nicht zurück. Auch auf Nachfragen habe Google bestätigt, dass man dabei auch bleibe.
Hanebüchene Begründung: So ist es einfacher für Google!
Eine Jura-Professorin, die sich mit der Materie beschäftigt, spekulierte, dass es aus der Perspektive des Konzerns einfacher sei, so zu verfahren, als selbst entscheiden zu müssen, was akzeptabel sei und was nicht. Einer der betroffenen Väter benutzt jetzt einen Email-Account bei Hotmail, wofür er schon von anderen verspottet werde.
Und genau hier liegt auch bei uns der Hase im Pfeffer: Die westlichen Staaten (nicht nur China oder Russland) haben inzwischen schon so tief in unsere Privatsphäre eingegriffen, dass Unternehmen lieber stumpf den staatlichen Anordnungen folgen, als selbst zu entscheiden, was akzeptabel ist, und was nicht.
Das führt fast zwangsweise zu Overblocking, und genau das war und ist seitens der Staaten auch so gewollt!